Passiv aggressiv oder blind vor Wut Elke Antwerpen August 16, 2022

Passiv aggressiv oder blind vor Wut

Wut ist ein natürliches Gefühl, das durch Verletzungen und Enttäuschungen entsteht. Es gibt viele Wege mit ihr umzugehen. Wir können sie verdrängen, hinter verschiedenen Arten freundlichen Verhaltens verstecken oder ihr ungefiltert Ausdruck verleihen. Letzteres scheint der gesündeste Weg zu sein, wenn auch nicht immer der beste. Ein Wutausbruch birgt die Gefahr des Kontrollverlustes und zieht Konsequenzen nach sich. Wir sagen oder tun Dinge, die sich später als schädlich herausstellen können – für die Beziehung, das Image in der Firma oder das eigene Seelenheil. Zu der eigentlichen Verletzung gesellt sich noch das schlechtes Gewissen. Dermaßen aus der Rolle gefallen zu sein und uns von unserer häßlichen Seite gezeigt zu haben, macht uns dabei nicht nur in den Augen anderer zum Täter. 

Viele Menschen vermeiden deshalb die direkte Konfrontation. Wenn sie von der Angst beherrscht werden, gekündigt oder verlassen zu werden, besteht die Hauptstrategie in harmonisierenden Lösungen. Die Wut ist dann nicht weg, aber sie kann auch erst einmal keinen Schaden anrichten, gemäß dem Motto: passive Aggressivität ist besser als offener der Krieg.

Passiv aggressive Mitarbeiter wehren sich, indem sie beispielsweise vorgeben, Anweisungen nicht zu verstehen, sich ständig über Kleinigkeiten beschweren oder andere hinter ihrem Rücken schlecht machen. Der um die Erledigung einer Aufgabe gebetene Kollegin, der  auf Nachfrage so tut, als könne sie sich nicht daran erinnern. Der Mitarbeiter, der sich sarkastistisch über etwas beschwert und hinterher alles als Scherz ab tut. Die Chefin, die nicht auf Fragen reagiert, sondern so tut, als habe nichts gehört. Der Kollege, der in der Endphase eines wichtigen Projektes einfach nicht mehr erreichbar ist. All das sind typisch passiv-aggressive Verhaltensweisen, die entweder direkte Auseinandersetzung verhindern oder den Anschein erwecken sollen, es handle sich um ein Versehen oder einen Spaß – in denen sich jedoch eine aggressive Intention versteckt. 

In privaten Beziehungen lassen sich hauptsächlich drei Taktiken beobachten: vergessen, verpissen, (ver-)schweigen. Spitzen Sie die Ohren, wenn Ihr Gegenüber das nächste Mal sagt: »Dann machen wir es eben so.« Es könnte Wut dahinter stecken.

Nicht selten wird Wut aber auch auf andere Lebensbereichen oder Personen »umgeleitet«. Oder es entstehen ambivalente Gefühle. Paare entwickeln oft eine Art Hass-Liebe. Denn lang unterdrückte Wut verhärtet sich und wird zur Feindseligkeit. Das ist umso mehr der Fall, wenn der Kern des Problems nicht gelöst wurde.

Fazit: Wut sollte zwar nicht ungefiltert rausgelassen werden, aber eben auch nicht unterdrückt. Wichtig ist, dass sich ungute Gefühle nicht ansammeln bis der berühmte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt und wir explodieren. Wer die Beziehungen aufrecht erhalten und Verhaltensveränderungen bewirken möchte, der sollte die Situation zeitnah ansprechen und seinem Ärger auf eine sachliche, nicht verletzende Art verbalisieren. Das ist gut für die Seele und das Image. 

Autorin: Elke Antwerpen