Kann KI menschliches Coaching ersetzen? Elke Antwerpen April 1, 2024

Kann KI menschliches Coaching ersetzen?

Gestern erhielt ich die Absage eines potenziellen Kunden mit der Begründung, dass er verblüfft gewesen sei, was für Antworten er von einem Chatbot erhalten habe, als er dem Algorithmus seine Situation geschilderte. Obwohl ich mich schon eine Weile mit dem Thema »Künstliche Intelligenz« beschäftige und sie spätestens seit Veröffentlichung von ChatGPT am 30. November 2022 im Vormarsch ist, kam für mich das Argument überraschend. Noch nie hatte sich ein Kunde von mir gegen ein Coaching zugunsten eines Chatbots entschieden. Bedeutet dies, dass ich demnächst, ebenso wie die rund 10.000 anderen Business-Coaches, die es in Deutschland gibt, im Wettbewerb mit Textrobotern stehe? Kostet uns der Fortschritt wirklich Kunden?

Fakt ist, dass die jüngsten Durchbrüche in der KI die Fähigkeiten von Computern, menschliche Aufgaben zu erlernen und auszuführen, dramatisch erweitert haben. Von der Entwicklung selbstlernender Algorithmen, die komplexe Probleme lösen können, bis hin zur Erzeugung von natürlicher Sprache und der Fähigkeit, in Spielen strategisch zu denken, zeigen KI-Systeme beeindruckende Kompetenzen.

Auch in Bereich der persönlichen Weiterbildung hat sie bedeutende Fortschritte gemacht. Hier einige Anwendungsbeispiele und Vorteile:

  • Verfügbarkeit: KI-Coaching-Plattformen sind rund um die Uhr verfügbar, was Benutzern ermöglicht, Unterstützung zu suchen, wann immer sie diese benötigen, ohne auf den nächsten Termin warten zu müssen.
  • Datengesteuerte Einsichten: KI kann große Mengen an Daten analysieren, um Muster zu erkennen und personalisierte Feedbacks und Empfehlungen zu liefern, die wahrscheinlich über das hinausgehen, was ein menschlicher Coach allein identifizieren könnte.
  • Skalierbarkeit: KI kann gleichzeitig eine große Anzahl von Klienten unterstützen, was sie zu einer kosteneffizienten Lösung für Organisationen und Einzelpersonen macht.

Doch abgesehen von der Tatsache, dass KI-Systeme bisweilen »halluzinieren«, was bedeutet, dass keineswegs alles wahr ist, was ChatGPT und Co an Antworten produzieren, gibt es Aspekte des Coachings, die aktuell durch Maschinen nicht zu replizieren sind. Zum Beispiel:

  • Emotionale Intelligenz: Trotz Fortschritten im Verständnis und in der Reaktion auf menschliche Emotionen fehlt KI die emotionalen Intelligenz, die menschliche Coaches in den Prozess einbringen. Die Fähigkeit, komplexe emotionale Zustände zu verstehen, zwischen den Zeilen zu lesen, auf nonverbalen Hinweisen zu reagieren und echte Empathie zu zeigen, ist nach wie vor eine Herausforderung für KI.
  • Kontextuelles Verständnis: Menschliche Coaches haben ein nuanciertes Verständnis von Kontext und Kultur und lassen dieses in ihre Beratung einfließen. Sie können auch adaptiv auf unerwartete Situationen oder Informationen reagieren, die während einer Sitzung auftauchen. Maschinen sind dafür zu starr.
  • Anpassung an unvorhergesehene Veränderungen: Wir Menschen können flexibel auf unvorhergesehene Veränderungen in der Stimmung, Einstellung oder Situation des Klienten reagieren. Diese Anpassungsfähigkeit ist entscheidend, da der Coachingprozess oft nicht linear verläuft und von vielen variablen Faktoren beeinflusst wird.
  • Kreativität und Intuition sind beides nützliche Fähigkeiten, um unkonventionelle Wege einzuschlagen und so zu Lösungen für komplexe Probleme zu kommen. Sie ermöglichen es uns, über Daten und Algorithmen hinaus zu denken und individuell angepasste Strategien zu entwickeln.
  • Ethische Überlegungen und Vertrauen: Coaching beinhaltet die Bearbeitung sensibler persönlicher und beruflicher Daten. Während KI-Systeme zwar Datenschutzstandards einhalten können, fehlt ihnen das Verständnis für ethische Nuancen und die Fähigkeit, Vertrauen auf  zwischenmenschlicher  Ebene aufzubauen.

Mein Fazit: Künstliche Intelligenz kann bei der Datenerfassung und Datenanalyse uns Coaches, Trainer und Berater bei der Arbeit immens unterstützen. Für ein ganzheitliches, empathisches und tiefgreifendes Coachingerlebnis ist der Mensch jedoch unersetzlich. Das sollten Kunden bedenken, wenn sie bei der persönlichen Entwicklung auf einen Chatbot setzen.

Umgekehrt wäre es fahrlässig, die Augen vor dem Fortschritt zu verschließen. Wir erleben gerade eine technologische Revolution ungeahnten Ausmaßes. Die generative KI wird die Wirtschaft und auch die Gesellschaft ähnlich stark verändern, wie seinerzeit die Industrialisierung. Am Ende werden diejenigen überleben, die intelligente Technologie für sich und ihre Kunden nutzbringend einzusetzen wissen.

Autorin: Elke Antwerpen