Schenken braucht Aufmerksamkeit Elke Antwerpen Juli 13, 2021

Schenken braucht Aufmerksamkeit

Wir sind zum Geburtstag eingeladen. Obwohl die Einladung nicht überraschend kam, ist jetzt keine Zeit mehr, noch ein Geschenk zu besorgen. Mit leeren Händen wollen wir aber auch nicht auftauchen. Entweder wird es die Flasche Wein oder irgendein putziges Wohnaccessoire. Manchmal wechselt auch eines der für unbrauchbar befundenes Mitbringsel unserer nicht minder fantasielosen Gäste den Besitzer. So etwas verbuchen wir unter „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen«. Kann sein, dass es praktisch ist, aber mit einem individuellen, auf die Person und dessen Wünsche abgestimmten Präsent hat das wenig zu tun. Und wenn man bedenkt, dass es sich beim Schenken eigentlich um eine symbolische Geste zur Bekräftigung der Beziehung handeln soll, stellt sich unweigerlich die Frage: »Was will mir der Adressat damit sagen?«

Als Form menschlicher Kommunikation erhält das Schenken einen zunehmend kommerziellen Charakter und ist in vielen Bereichen zur Pflicht geworden. Kosten und Nutzen werden abgewogen. Wir fragen uns: »Was haben wir davon, wenn wir etwas von uns hergeben?« Dankbarkeit? Sympathien? Ansehen? Vielleicht sogar ein Gegengeschenk? Letzteres ist gar nicht so weit hergeholt. Denn tatsächlich hat Schenken seinen Ursprung im Austausch von Gaben und stand am Anfang einer zunehmend friedlicheren Zivilisation. Vorher nahm sich nämlich der Stärkere einfach, was er wollte – notfalls mit Gewalt.

Schenken ist aber mehr als eine strategische Handlung. Die Beschäftigung mit den Herzenswünschen anderer ist eine Angelegenheit von Wertschätzung. Schenken heißt, den anderen bewusst wahrnehmen und seine Bedürfnisse erkennen. Dabei geht nicht immer um materielle Dinge oder den Preis. Ergebnisse einer Studie der Stanford University haben ergeben, dass wir uns nicht automatisch mehr freuen, weil ein Geschenk besonders teuer war. Ein Telefonat, ein gemeinsamer Spaziergang, Zeit für Zweisamkeit können ein höheres Glücksgefühl auslösen als ein teueres Schmuckstück. Doch statt auf  Kreativität setzen wir lieber auf Verlässlichkeit.  Dabei haben Pragmatismus, Bequemlichkeit und fehlende Fantasie beim Schenken eigentlich nichts zu suchen.

Ein Paradebeispiel dafür, dass gut gemeint, nicht immer gut gemacht sein muss, waren die Gepflogenheiten meiner Eltern. Sobald wir Teenager waren, drückten Sie uns zu allen möglichen Anlässen Geld in die Hand mit dem Auftrag, etwas Schönes zu kaufen, in Geschenkpapier zu wickeln und bis zum Tag X zu vergessen, was sich in dem Päckchen befindet. Während die Pragmatiker dieser effizienten Vorgehensweise sicherlich etwas abgewinnen können, war und ist es für mich ein Zeichen mangelnden Interesses. Bis heute frage ich mich, ob meine Eltern damit nur sicher gehen wollten, genau meinen Geschmack zu treffen, oder ihnen einfach die Ideen ausgingen. Fakt ist, dass es ab meinem zwölften Lebensjahr so gut wie keine Überraschungen mehr gab.

Richtiges Schenken setzt eine Fähigkeit voraus, die unserer Gesellschaft im permanenten Streben nach Leistung und Effizienz abhanden gekommen zu sein scheint: Aufmerksamkeit. Kreative, individuelle und auf die Person zugeschnittene Geschenke brauchen Zeit und Aufmerksamkeit. Die Ideen dazu bieten sich einem über das gesamte Jahr verteilt, nicht erst einen Tag vorher und unter Druck. Am besten gleich notieren, wenn Sie etwas Passendes sehen oder Wünsche aufschnappen. Denn im zunehmenden Alter lässt uns das Gedächtnis im Stich. Fällt Ihnen partout nichts ein, vielleicht auch weil der Kontakt nicht so eng ist oder derjenige schon alles hat, dann fragen Sie einfach nach, was sich jemand wünscht. Denn besser ein Geschenk von der Wunschliste als eins aus Verlegenheit. Und um dem Kommerzwahn zu entgehen, setzen Sie im Vorfeld einfach ein Limit fest. Am Ende haben Sie auch etwas davon. Denn ein passendes Geschenk macht nicht nur den Beschenkten glücklich.

Autorin: Elke Antwerpen