Kaum tauchte der Begriff »Wirtschaftskrise« auf, war er nicht nur schnell in aller Munde, sondern manifestierte sich auch gleich in den Köpfen der Unternehmer. Wie ein Nacebo streut er seitdem seine destruktive Botschaft aus: »Ich werde dich vernichten!« Oder doch zumindest erheblich schaden. Viele erstarren vor Angst wie das Kaninchen vor der Schlange, welches erst gar nicht versucht, sich gegen sein vermeintliches Schicksal zu wehren. Somit haben wir es gleich mit zwei Gegner zu tun: Der Wirtschaftskrise und einer gefährlichen Angst vor ihr.
Machen wir uns nichts vor: Den meisten Unternehmen sitzt die Angst im Nacken. Sie agieren nicht, sondern reagieren nur noch. Dabei sind es weniger die Umsatzeinbrüche, die sie zu übereiltem oder übervorsichtigem Handeln treiben, sondern die introjizierte Vision vom Super-GAU. Doch ein solches Verhalten macht die Lage erst wirklich prekär. Denn Angst lähmt. Sie versperrt den Blick auf die eigenen Ressourcen. Und sie schließt Kreativität aus.
Zwar wird dem wirtschaftlichen Abschwung mit diversen Notfallplänen entgegen gesteuert. Die zielen aber vor allem auf eines ab: auf Sicherheit. Dieser für uns Deutsche typische Protektionismus kennt leider immer nur dieselben Interventionsmaßnahmen: Entlassungen, Übernahmen, Beteiligungen und Kontrollen. Werden Massenentlassungen der Innovationskraft deutscher Unternehmen tatsächlich gerecht? Erwartet man von top qualifizierten und darüber hinaus hoch bezahlten Managern nicht irgendwie mehr?
Unser Wirtschaftssystem basiert auf Vertrauen
Mal abgesehen vom Imageschaden, wirkt sich ein personeller Kahlschlag langfristig eher negativ aufs operative Geschäft aus. Unser Wirtschaftssystem beruht nämlich auf Vertrauen – nicht nur in Bezug auf Handelspartner, sondern insbesondere auch auf das eigene Personal. Qualifizierte Fachkräfte sind das Investment für die Zukunft und darüber hinaus rar. Dies gilt für gute wie für schlechte Zeiten. Denn geht es der Wirtschaft wieder besser, brauchen die Firmen ihre Spezialisten – und zwar sofort. Sind die aber erstmal entlassen, ist das Vertrauen in die Unternehmensführung zerstört.
Blickt man zurück, ist ein ähnliches Verhalten nach dem Bankencrash von 2009 zu beobachten. Selbst prosperierende Unternehmen strichen damals Stellen – sozusagen prophylaktisch! So plante der Softwarehersteller SAP mit Hinweis auf die bevorstehende Rezession den Abbau von 3000 Arbeitsplätze. Und das, obwohl ein Gewinn von 332 Millionen Euro allein im ersten Geschäftsquartal vermeldet wurde.
Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der Firma DATEV. Allen Widrigkeiten zum Trotz stellte der Softwarehersteller 300 Mitarbeiter ein und strebte mit der Einführung eines neuen Produktes ein Umsatzplus an. Damit bewegte die Firma sich antizyklisch zur Konkurrenz – eine Taktik, die den bis dahin in Europa unbekannten Computerhersteller Dell innerhalb kürzester Zeit zum Topseller machte. Während alle anderen Firmen damals ihr Marketingbudget drastisch kürzten, schaltete das texanische Unternehmen große Werbekampagnen. Heute gilt Dell als einer der umsatzstärkste PC-Hersteller der Welt. Ein Beweis dafür, dass Krise durchaus auch Chance bedeuten kann.
Wachstum entsteht nur durch Mut, etwas Neues zu wagen
Mit dieser Betrachtungsweise tun sich allerdings viele deutsche Unternehmen schwer. Dabei lernt jeder BWLStudent bereits im ersten Semester, dass Wachstum und Wohlstand nur durch den Mut entsteht, etwas Neues zu wagen. Ohne den Beiklang von Katastrophe kann die Krise sogar eine Phase von hoher Produktivität sein. Die aktuelle Diskussion, Fehlentscheidungen von Managern künftig zu sanktionieren, ist demnach eher kontraproduktiv. Eine solche Maßnahme würde jeglichen Mut zur Innovation nehmen und bloß eine Kultur von Angsthasen schaffen.
Womit wir bei Problem Nummer zwei wären: Niemand will in Zeiten, in der es um alles oder Nichts geht, Verantwortung tragen. Was manche für Schicksal halten, stellt in Wahrheit den Lackmustest für unsere Führungsriege dar. Jetzt zeigt sich nämlich nicht nur, wer der Herausforderung gewachsen ist, sondern welche Fehler in der Vergangenheit begangen wurden.
Wegen der Pandemie, der gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten sowie der Zinswende sind allein im vergangenen Jahr laut einer Studie der Wirtschaftsauskunftei CREDITFORM in Westeuropa 140.000 Unternehmen in Konkurs gegangen. Auch wenn wir damit auf einen traurigen Rekord zusteuern, soll nur ein Drittel unmittelbar auf die Wirtschaftskrise zurückgehen. Der Rest dürfte auf die bereits vorhandene unterschwellige Ineffizienz einiger Unternehmen und damit auf verfehltes Management zurück zu führen sein.
Wirtschaftliche Dynamik hängt von der inneren Einstellung ab
Zum Glück scheint der vorherrschende Pessimismus unserer Wirtschaftselite bei der Bevölkerung noch nicht angekommen zu sein, die weiterhin ihr Geld in die Geschäfte trägt und damit den totalen Kollaps verhindert. Die Frage ist nur, wie lange noch? Mit den steigenden Lebenskosten bei fortschreitender Inflation wird sich die finanzielle Lage der Bevölkerung spürbar verschlechtern. Und wenn die Kluft zwischen Arm und Reich nicht mehr bloß debattiert, sondern hautnah erlebt wird, dürfte sich der in den Medien kolportierte Fatalismus zum Bumerang erweisen. Die Erholung des Marktes vermag wohl kaum die prognostizierte Katastrophe verhindern. Wirtschaftliche Dynamik hängt nämlich nicht nur von äußeren Faktoren ab, sondern auch maßgeblich von der inneren Einstellung. Wachstum folgt dem Optimismus. Selten umgekehrt. So etwas nennt man dann selbsterfüllende Prophezeiung.
Meine Empfehlung an alle unternehmerische Entscheidungsträger und CEOs lautet daher: Hören Sie auf, in Schuldkategorien zu denken und sich als Opfer der äußeren Umstände zu betrachten! Schauen Sie lieber nach Möglichkeiten der Veränderung. Werden Sie sich bewusst, was Sie sind und was Sie können, und setzen Sie Ihre Stärken zielgerichtet ein. Gehen Sie dabei ruhig etwas idealistischer vor als für deutsche Verhältnisse üblich. Wenn Sie Ihr Unternehmen erfolgreich durch die Krise führen und dabei sogar Gewinn erzielen, schert sich niemand um den halben Prozentpunkt, den Sie vielleicht unter der Prognose bleiben. Ganz im Sinne Nietzsches Motto: »Wer nach dem Mond zielt und ihn verfehlt, landet immer noch irgendwo zwischen den Sternen!«
Autorin: Elke Antwerpen