Ich habe mich lange dagegen gewehrt, mich als Perfektionistin zu sehen – auch wenn es nur in bestimmten Bereichen zutrifft. Meistens lasse ich Fünfe gerade sein. Doch es gibt Situationen, in denen ich mich unverhältnismäßig lange in Details verliere. Beim Schreiben von Texten zum Beispiel: Da muss ich mich regelrecht zwingen, nicht stundenlang an der Formulierung eines Satzes zu feilen. Oder bei der Gestaltung von Präsentationen. Es ist fast schon absurd, wie ich um jeden Millimeter kämpfe, bis das Objekt exakt im „Goldenen Schnitt“ liegt. Und plötzlich bleibt kaum noch Zeit für das Wesentliche. Kennst du das?
Die meisten Perfektionisten glauben, dass eine Arbeit besser wird, wenn alles bis ins letzte Detail optimiert ist. Die Wahrheit ist jedoch: Dieser Anspruch bremst oft aus. Er hält davon ab, voranzukommen, Entscheidungen zu treffen und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Irgendwann habe ich begriffen, dass „gut genug“ tatsächlich besser ist.
Warum wir den Drang nach Perfektion verspüren
Hinter dem Streben nach Perfektion steckt oft mehr als der bloße Wunsch, qualitativ hochwertige Arbeit abzuliefern. Es ist ein tief verankerter Mechanismus, der uns glauben lässt, dass unser Wert an Fehlerlosigkeit gebunden ist. Schon in der Schule lernen wir, dass Fehler etwas Negatives sind, und diese Botschaft prägt uns nachhaltig. Wer immer perfekte Ergebnisse liefert, glaubt, sich vor Kritik zu schützen und Anerkennung sicherzustellen. Doch in Wahrheit kann dieser Druck lähmend wirken. Es ist eine Illusion, dass Perfektion Wertschätzung garantiert – und gleichzeitig eine der größten Hürden auf dem Weg zu Selbstakzeptanz.
Dieser Druck führt dazu, dass wir unser Selbstvertrauen stark von unseren Ergebnissen abhängig machen. Je perfektionistischer wir sind, desto mehr verknüpfen wir unseren Selbstwert mit äußeren Ergebnissen. Diese Denkweise lässt uns glauben, dass nur makellose Leistungen uns Anerkennung und Respekt verschaffen. Das führt nicht nur zu unnötigem Stress, sondern auch dazu, dass wir uns zu viel mit Kleinigkeiten aufhalten. Wir fokussieren uns auf unwichtige Details, schieben Entscheidungen auf und verbringen wertvolle Zeit mit Zweifeln, anstatt Fortschritte zu machen. Dabei vergessen wir, dass das Streben nach Perfektion uns von den wirklich wichtigen Zielen ablenkt – und dass Fehler unverzichtbare Wegweiser sind, um dazuzulernen.
Perfektionismus bremst oft aus
Die Überzeugung, dass etwas nur dann gut ist, wenn es bis ins kleinste Detail perfekt ist, hält uns davon ab, produktiv zu sein. Perfektionismus führt dazu, dass Projekte nie abgeschlossen werden oder viel länger dauern, als sie sollten. Gerade in kreativen Prozessen zeigt sich: Zu viel Fokus auf Details kann die Gesamtwirkung verwässern und den Blick für das Wesentliche verstellen. Perfektion zu erreichen, ist nicht nur unrealistisch, sondern oft auch unnötig. Ein „fertig und funktional“ bringt in der Regel mehr Wert als ein „fast perfekt, aber unfertig“.
rgendwann habe ich begriffen, dass „gut genug“ tatsächlich besser ist.
Der Wendepunkt kam, als ich realisierte, dass mein Streben nach Perfektion mehr blockiert als fördert. „Gut genug“ bedeutet nicht, dass man seine Standards aufgibt – es bedeutet, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt, und den Mut zu haben, Dinge unvollkommen loszulassen. Diese Erkenntnis hat mir nicht nur mehr Zeit und Energie geschenkt, sondern auch die Freiheit, Neues auszuprobieren. Es geht darum, zu verstehen, dass Perfektion nicht der Maßstab für Erfolg ist, sondern oft das „Gut genug“ die Grundlage für echte Weiterentwicklung bildet.
3 Dinge, die mir geholfen haben
✅ Setze dir klare Deadlines und halte sie ein
Der hohe Anspruch neigt dazu, uns in einen endlosen Kreislauf des Überarbeitens zu ziehen. Also setze ich mir Deadlines und diszipliniere mich, sie auch einzuhalten. Statt ewig an einer Folie zu feilen, gilt die neue Regel: Was bis dahin nicht perfekt ist, bleibt so. Und weißt du was? Niemandem ist es aufgefallen, dass es nicht makellos war.
✅ Starte schnell, korrigiere später
Hör auf, zu lange zu planen und zu grübeln. Fang einfach an! Sobald du im Tun bist, wirst du merken, dass du schneller vorankommst und viel früher erkennst, was wirklich wichtig ist. Ich habe gelernt, dass es besser ist, mit einem groben Entwurf zu starten und später Feinheiten anzupassen, als von Anfang an den Anspruch zu haben, dass alles fehlerfrei sein muss.
✅ Lass es “gut” sein
Mein absoluter Gamechanger: Seitdem ich mich auf „gut genug“ statt auf “perfekt” fokussiere, bin ich nicht nur schneller fertig, sondern auch entspannter. Fehler betrachte ich als Lernchance. Also, verabschiede dich von der Idealvorstellung und schaffe mehr Raum für Kreativität und neue Ideen. Denn am Ende zählt nicht, wie perfekt etwas ist, sondern dass es fertig wird und funktioniert.
Loslassen
Perfektionismus loszulassen, ist ein Prozess, der Mut und Selbstreflexion erfordert. Doch genau darin liegt die Chance: Wenn wir uns erlauben, unperfekt zu sein, öffnen wir uns für Wachstum, Kreativität und echten Fortschritt. Es geht nicht darum, die Ansprüche völlig aufzugeben, sondern sie realistisch anzupassen. Denn oft reicht „gut genug“, um Großartiges zu schaffen – und vor allem, um den Kopf frei zu haben für die Dinge, die wirklich wichtig sind.
Autorin: Elke Antwerpen