Wenn dein innere Richter spricht und du ihm glaubst Elke Antwerpen August 1, 2025

Wenn dein innere Richter spricht und du ihm glaubst

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Manchmal brauchst du keine Rückmeldung von außen. Denn jemand war längst schneller und viel strenger. Noch bevor du den Mund aufmachst, meldet sich diese Stimme. Sie kommentiert, bewertet, vergleicht. Ohne Einladung. Und trifft oft genau da, wo es am meisten weh tut: mitten ins Selbstwertgefühl. Es passiert leise. Und es passiert oft. Noch bevor dich jemand kritisieren kann, hat jemand in dir längst das Urteil gesprochen:

🗯️ „Das hätte besser laufen müssen.“

🗯️ „War ja klar, dass du das wieder versaust.“

🗯️ „Andere sind einfach stärker, schneller, klüger als du.“

 Diese Stimme kennt keine Gnade. Hat kein Wochenende. Sie nörgelt, mahnt, vergleicht. Sie steht parat, wenn du zögerst. Und sie triumphiert, wenn du stolperst.

Was sie sagt, klingt nüchtern. Fast vernünftig. Aber sie trifft da, wo es wehtut. Und das Schlimmste darin ist: Wir hören zu und glauben ihr jedes Wort. Tag für Tag.

Willkommen im inneren Monolog
 

Oder sollten wir sagen: im inneren Tribunal?  Denn was da in uns plappert, klingt nicht nach konstruktiver Kritik, sondern nach Anklagebank. In der Transaktionsanalyse spricht man vom kritischen Eltern-Ich. Es ist jener Persönlichkeitsanteil, der Regeln aufstellt, tadelt, kontrolliert – oft unbarmherzig und fordernd.

Psychologisch gesehen trägt er die Echos unserer Kindheit in sich: Eltern, Lehrer, frühe Autoritätspersonen. Was damals als Wegweiser gedacht war, wirkt heute oft wie ein Urteilsspruch – leise, aber nachhaltig. Und gerade weil es im Hintergrund wirkt, bleibt es so schwer zu greifen.

Der innere Dialog prägt unser Selbstbild weit mehr als Feedback von außen. Wer sich selbst ständig abwertet, fühlt sich irgendwann auch weniger kompetent – unabhängig von seinen tatsächlichen Fähigkeiten.(vgl. Beck, 1976)

 

Vom inneren Kritiker zur inneren Realität

 

Das Tückische: Wir halten die Stimme in unserem Kopf für die Wahrheit. Weil sie sich vertraut anfühlt. Weil sie schon immer da war. Weil sie vorgibt, uns nur “vor Schlimmerem” zu schützen.

Doch in Wahrheit macht sie klein, dumm und müde. Sie lässt uns an uns zweifeln, hemmt Kreativität und sabotiert Mut. In Führung, im Auftreten, in Beziehungen. Und vor allem: in der Selbstführung.

Viele meiner Coachees merken erst im Coaching, wie barsch ihr innerer Umgangston ist. Ich frage dann oft: Würden Sie je mit einem Kollegen so sprechen? Oder mit Ihrem Kind? Die Antwort ist fast immer: Nie!

Und genau hier beginnt Veränderung. Denn was wir über uns denken, bestimmt nicht nur, wie wir handeln, sondern auch, was wir uns zutrauen. Wer sich selbst kleinredet, wird selten groß entscheiden. Deshalb ist es mehr als nur „nett zu sich selbst zu sein“. Es ist Führungsarbeit am eigenen System.

3 Übungen, um deinen inneren Richter zu entlarven

 

Veränderung beginnt nicht mit Motivation, sondern mit Wahrnehmung. Wer die eigene innere Stimme nicht kennt, kann ihr auch nicht widersprechen. Deshalb lohnt sich ein genauer Blick auf das, was da Tag für Tag unkommentiert durch unser Denken zieht.

🔺 Spiegelstimme : Sprich 1 Minute lang laut aus, was du innerlich denkst, wenn du scheiterst. Dann höre dir selbst zu. Ohne zu bewerten. So wird hörbar, was sonst im Hintergrund wirkt.

🔺 Zuschauerperspektive: Stell dir vor, dein bester Freund denkt so über sich wie du über dich. Was würdest du sagen? Wie würdest du ihm begegnen? Diese Perspektive hilft, Abstand zur eigenen Härte zu gewinnen.

🔺Der innere Gerichtssaal: Schreib einen typischen inneren Vorwurf auf („Du bist zu laut, zu aufdringlich, zu …“). Dann halte Gegenrede – als dein eigener Anwalt. Was spricht FÜR dich? Eine Übung in Selbstempathie, die oft ungewohnte Kraft entfaltet.

 

Raum schaffen für neue Stimmen

 

Der innere Richter bleibt nicht im Kopf. Er spricht auch mit, wenn wir im Meeting schweigen, obwohl wir etwas zu sagen hätten. Wenn wir Aufgaben übernehmen, die wir längst hätten ablehnen müssen. Oder wenn wir andere härter bewerten, weil wir uns selbst keine Nachsicht gönnen.

Im Coaching arbeite ich oft mit diesen inneren Anteilen. Nicht, um sie zu verbannen, sondern um sie zu entlarven, zu verstehen und zu relativieren. Denn diese Stimmen wollten einmal schützen. Aber sie sind nicht du. Eine selbstbewusste Führungspersönlichkeit entwickelt nicht eine laute neue Stimme, sondern ein inneres Team, das sich gegenseitig zuhört statt sich zu bekämpfen.

Fazit

 

Selbstkritik kann uns motivieren. Sie kann uns anspornen, Dinge besser zu machen oder Fehler zu reflektieren.

Aber wenn der innere Richter lauter ist als jede andere Stimme, wird Selbstführung zur Selbstsabotage. Dann trifft nicht mehr das reife Ich die Entscheidung, sondern ein inneres Echo aus der Vergangenheit.

Es geht nicht darum, jede kritische Stimme zu verbannen. Sondern darum, sie einzuordnen. Manchmal reicht schon ein inneres „Danke für deinen Beitrag – aber ich entscheide diesmal selbst.“

Beobachte, wie du mit dir selbst sprichst.

Übe, bewusst anders mit dir zu reden – fairer, freundlicher, differenzierter.

✅ Und wenn du merkst, dass du dich im Kreis drehst: Hol dir ein Gegenüber, das mit dir sortiert, was wirklich stimmt – und was nur alt klingt.

Denn echte Veränderung beginnt nicht im Außen. Sondern in der Art, wie du mit dir selbst sprichst.

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👉 Wenn dich das Thema anspricht oder du jemanden kennst, der sich gerade in Dauerschleife kritisiert: Teile diesen Artikel – oder schreib mir. Und wenn du willst: Lass uns gemeinsam hinhören. Manchmal ist ein Perspektivwechsel der Beginn echter Veränderung.

Autorin: Elke Antwerpen

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